Wirtschaft

Am Ende könnte Real doch zerschlagen werden

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Metro will Real verkaufen und die Branche spekuliert über Interessenten von Amazon bis Edeka. Doch ist die Supermarkt-Kette überhaupt noch zu retten?

Dunkle Aussichten: Wie es mit der Supermarktkette Real weitergeht, ist unklar.

Am liebsten hätte Olaf Koch auf der Metro-Hauptversammlung gar nicht mehr über Real gesprochen. Man werde sich komplett auf das Geschäft mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen in der Gastronomie und im Handel konzentrieren, sagte der Vorstandschef des Konzerns am Freitag in Düsseldorf. Dort winken größere Margen als im Einzelhandel, freute sich Koch. Er könne deshalb versichern, sagte er den Aktionären, “Ihr Unternehmen steht solide da”. 

Noch aber hat Metro ein Unternehmen aus dem ja so margenschwachen Einzelhandel wie einen Klotz am Bein: Real. Dass Metro die SB-Warenhauskette verkaufen will, ist seit September 2018 bekannt. Immer wieder betont Koch, die Kette nur als ganzes Paket verkaufen zu wollen. Bis Juni hat er sich dafür Zeit gegeben. Doch auch wenn Koch erst Anfang dieser Woche optimistisch von „mehr als einer Handvoll aktiven Interessenten“ sprach und in Kürze „unverbindliche Preisangebote“ erwartet, ist ein Verkauf laut Branchenexperten noch in weiter Ferne. Verkauf, Zerschlagung, Weiterbetrieb – wie es mit Real weitergeht, scheint noch völlig offen zu sein.

Dass man Real lieber gestern als heute los wäre, zeigt schon die Tatsache, dass die Geschäftszahlen von Real gar nicht mehr in die Metro-Bilanz eingerechnet werden. Bei den in dieser Woche vorgestellten Quartalszahlen erfährt der aufmerksame Leser nur in einer Fußnote, dass Real einen leichten Umsatzrückgang von 0,6 Prozent hinnehmen musste und sich der Gewinn auf 52 Millionen Euro im Jahresvergleich fast halbiert hat. Bei Metro selbst ging der Gewinn zurück, der Umsatz stieg allerdings um 2,3 Prozent. Drei Real-Filialen mussten im vergangenen Jahr geschlossen werden. Schon bei den Zahlen für das zurückliegende Geschäftsjahr hatte Metro den Real-Gewinnrückgang um 11 Millionen Euro und den Umsatzrückgang um 2,3 Prozent nicht in seine eigene Bilanz eingerechnet.

Investitionsrückstau im Vergleich zu Aldi, Edeka und Co.

Für Einzelhandelsexperten gilt Real als nahezu hoffnungsloser Fall. In den meisten der rund 279 Filialen hat sich ein beträchtlicher Investitionsstau gebildet; mit den Einkaufstempeln wie sie die höherpreisigen Konkurrenten Edeka oder Rewe bieten kann Real ganz offensichtlich nicht mehr mithalten. Und auch im günstigeren Segment haben sowohl die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland als auch Aldi viele ihrer Filialen einer Runderneuerung unterzogen.

Bei Real wurden bislang nur zwei Filialen modernisiert. Die Standorte in Krefeld und Braunschweig sind seit 2016 beziehungsweise 2018 mit einem modernen Markthallen-Konzept ausgestattet. Hier gibt es neben zeitgemäßem Design auch gastronomische Angebote wie handgemachte Pizza oder frisch gerösteten Kaffee.

Zwar stieg der Umsatz in diesen Filialen an und die Kundenfrequenz wurde in Krefeld um knapp ein Drittel gesteigert, wie das Unternehmen auf Tagesspiegel-Anfrage mitteilt. Laut Branchenexperten sinkt die Kundenzahl von Real insgesamt allerdings stetig. Die modernisierten Filialen sollen zudem noch immer defizitär wirtschaften. Dennoch sollen auch im Großraum Berlin sowie in Bielefeld, Aschaffenburg und Balingen Standorte nach diesem solche Markthallen-Konzept umgebaut werden entstehen. In 19 weiteren Märkten sind einzelne Module des Markthallen-Konzepts integriert worden.

Kosten könnten sich auf zwei Milliarden Euro belaufen

Doch alle Real-Filialen zu modernisieren wäre ein enormer finanzieller Kraftakt. Eine Beispielrechnung verdeutlicht das: Der Vorzeige-Markt in Krefeld soll Insidern zufolge rund 1000 Euro pro Quadratmeter gekostet haben. Insgesamt verfügt Real aber über circa zwei Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche. Insgesamt würde eine Modernisierung auf diesem Niveau demnach zwei Milliarden Euro kosten. Selbst bei nur 100 Euro pro Quadratmeter müsste ein Investor schon 200 Millionen Euro in die Hand nehmen. Aber für 100 Euro kriegen Sie bestenfalls den Boden neu gefliest, heißt es in der Branche. 

Seit Wochen wird schon spekuliert, wer an Real interessiert sein könnte. Immer wieder kursieren Namen von internationalen Beteiligungsgesellschaften wie Morgan Stanley oder Cerberus. Auch über den einen Einstieg von Amazon in den deutschen Lebensmittelhandel wird in diesem Zusammenhang gemutmaßt. Ebenso gelten heimische Ketten wie Kaufland oder Edeka als mögliche Käufer. Hier könnte es allerdings kartellrechtliche Probleme geben. Auf Tagesspiegel-Nachfrage verweigern alle genannten Unternehmen ein Kommentar zu der Angelegenheit. 

Metro-Chef Olaf Koch auf der Hauptversammlung am Freitag in Düsseldorf.

Thomas Roeb hält keine der Varianten für sonderlich wahrscheinlich. “Dass ein Lebensmittelhändler aus dem Ausland komplett neu in Deutschland startet, halte ich nach den Erfahrungen von Walmart und Intermarché für sehr unwahrscheinlich”, sagt der Professor für Betriebswirtschaftslehre der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Gleiches gelte für Amazon. Es gebe bislang kein Beispiel für die Nutzung solcher Standorte durch Amazon.

“Mit der Übernahme der Supermarktkette Whole Foods in den USA ist dieser Fall nicht vergleichbar”, meint Roeb. “Denn dort hat Amazon eine funktionierende Kette vorgefunden, die unverändert weiterlaufen konnte.” Wenn es nicht gelänge, Real als ganzes Paket zu verkaufen oder zu wenig Geld dabei herausspränge, könnte der Verkauf einzelner Filialen aus Sicht von Roeb am Ende doch interessant werden. 

Verdi befindet sich im Streit mit Real

So halten es Experten durchaus für denkbar, dass am Ende ein Teil der Filialen an verschiedene deutsche Wettbewerber geht und andere Standorte von strategischen Investoren übernommen werden. Für Letztere sind vor allem die Filialen interessant, die Real gehören. Allerdings sind das nur 65 der 279 Standorte, für alle anderen gibt es langfristige Mietverträge. Real bewertet diese Immobilien mit rund einer Milliarde Euro, in Branchenkreisen spricht man aber von nur rund 200 Millionen Euro. Viele Stimmen halten eine Zerschlagung und Wiedereröffnung mit ganz neuem Konzept für sinnvoll.

Unklar ist auch, wie es nach einer Übernahme mit den rund 34.000 Mitarbeitern bei Real weitergeht. Schon jetzt kritisiert die Gewerkschaft Verdi, dass die Geschäftsführung ihre Belegschaft nicht rechtzeitig über die aktuellen Entwicklungen informiert. Man habe „die Beobachtung gemacht, dass die Infos meistens nur auf dem letzten Drücker kommen oder als Reaktion auf eine Aktion oder Publikation von Verdi“, heißt es von der Gewerkschaft.

Nur der Onlineshop läuft gut

Die befindet sich seit Frühjahr 2018 ohnehin im Streit mit Real. Damals platzten die Tarifverhandlungen nach acht Runden mit einem Paukenschlag: Real kündigte den Vertrag mit Verdi und bezahlt neue Mitarbeiter seitdem nach den deutlich niedrigeren Tarifen der Kleingewerkschaft DHV. Nach Einschätzung von Verdi spart Real so fast 24 Prozent der Personalkosten.

Eine langjährige Kassiererin in Vollzeit bekommt in Nordrhein-Westfalen nach Verdi-Tarifvertrag 2579 Euro brutto bei einer 37,5-Stundenwoche, heißt es von der Großgewerkschaft. Nach dem DHV-Vertrag seien es nur 1900 Euro bei einer 40-Stundenwoche. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte sich im November an Protesten gegen Reals Lohnpolitik beteiligt. Koch hatte die Entscheidung wiederum mit den Worten verteidigt, man könne nicht dulden, dass Real der letzte Tariftreue im Einzelhandel sei und damit 30 Prozent höhere Personalkosten hat als der Wettbewerb.

Die Reduzierung dieser Kosten sind Teil wohl der Strategie, mit der Koch sein Sorgenkind attraktiv für Investoren machen will. Denn bisher kann Real eigentlich nur in einem Bereich punkten. Der Onlineshop steht im Vergleich zu den Wettbewerbern gut da, allein im vergangenen Quartal wuchs er um 65 Prozent.

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