Wirtschaft

EU-Champion auf dem Abstellgleis

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Paris und Berlin wollen die Fusion auf der Schiene von Alstom und Siemens – EU-Wettbewerbskommissarin Vestager ist dagegen.

Zwei aus einem Haus? Siemens baut den ICE (li.) für die Deutsche Bahn, in Frankreich ist der Alstom-Hochgeschwindigkeitszug…

Ein paar Tage bleiben noch bis zum 6. Februar. An dem Tag wird die EU-Kommission über die Fusion der Schienenverkehrssparte von Siemens mit dem französischen Wettbewerber Alstom entscheiden. Eine hochpolitische Angelegenheit, die vor anderthalb Jahren auch mit Unterstützung von Emmanuel Macron und Angela Merkel eingefädelt worden war. Und nun von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ausgebremst wird. Aber vielleicht kommen sich Politik, Unternehmen und Kommissarin doch noch näher in den nächsten zehn Tagen.

Warum macht die Fusion Sinn?

2015 schockte der von Peking gewünschte Zusammenschluss der beiden größten chinesichen Zughersteller zum neuen Weltmarktführer CRRC die Branche und forcierte Gespräche, die zum Beispiel Siemens mit dem kanadischen Bombardier-Konzern über eine Zusammenlegung des Schienenfahrzeugbaus führte. Dann wurde Emmanuel Macron gewählt und im Sinne der französisch-deutschen Freundschaft bewegte die hohe Politik den Siemens-Chef Joe Kaeser zum Umsteuern: Weg von den Kanadiern, hin zu den Franzosen. „Wir setzen die europäische Idee in die Tat um und schaffen gemeinsam mit unseren Freunden bei Alstom auf lange Sicht einen neuen europäischen Champion der Eisenbahnindustrie“, sagte Kaeser im September 2017. Das fusionierte Unternehmen käme auf einen Umsatz von gut 15 Milliarden Euro und könnte dann den Chinesen Paroli bieten, die es auf rund 30 Milliarden Euro bringen. Noch beschränkt sich CRRC weitgehend auf den asiatischen Markt, doch das wird voraussichtlich nicht so bleiben, zumal das Unternehmen technologisch auf dem Niveau der drei großen Westkonzerne spielt.

Wie soll der neue Konzern aussehen?

In dem neuen deutsch-französischem Unternehmen hält Siemens die Mehrheit von knapp über 50 Prozent. Die Standortentscheidung fiel dagegen für die Franzosen aus, der Hauptsitz soll „im Großraum Paris“ sein. Der Elektrokonzern Alstom, an dem der Staat 20 Prozent hält, baut unter anderem den Hochgeschwindigkeitszug TGV, Siemens den ICE für die Deutsche Bahn. Der neue Konzern, so der denn kommt, hat mehr als 60 Milliarden Euro in den Auftragsbüchern und verspricht sich durch den Zusammenschluss Einsparungen von 470 Millionen Euro im Jahr. Hierzulande arbeiten in der Schienenindustrie gut 52 000 Personen, die meisten bei Siemens und Bombardier, aber auch Stadler ist zu einer Branchengröße geworden und Alstom produziert unter anderem in Salzgitter.

Das Zuggeschäft von Bombardier wird von Berlin aus gesteuert, in Pankow baut Stadler Züge und Siemens ist sehr stark mit der Signaltechnik in der Hauptstadt vertreten. „Die Frage ist, ob wir von Wettbewerbern überrollt werden, oder in Europa ein Gegengewicht aufbauen“, plädiert der Verband der deutschen Schienenindustrie für die Fusion von Siemens und Alstom.


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Was spricht gegen die Fusion?

Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ist dagegen. „Wir sprechen hier über zwei tolle Unternehmen, die in der Lage sind, im Wettbewerb zu bestehen”, sagte Vestager gerade der „Zeit“. Soll heißen: Jedes Unternehmen für sich kann auf dem Weltmarkt bestehen und muss keine Angst haben vor CRRC. Die Kommission habe sich die Rolle der Chinesen genau angesehen und als nicht bedrohlich bewertet für die beiden Fusionspartner. „Alstom und Siemens sind bereits Weltmeister in ihrem Geschäft, nicht nur Europameister“, sagte Vestager. Gegen die Fusion haben auch das Bundeskartellamt und die Deutsche Bahn als großer Kunde der Unternehmen Bedenken angemeldet. In Politik und Industrie hatte das Befremden ausgelöst, weil der Staatskonzern Bahn seinem Eigentümer, der Bundesregierung in den Rücken fällt.

Gibt es noch eine Chance?

Erstaunlich deutlich haben der französische Finanzminister Bruno Le Maire und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in diesen Tagen Stellung bezogen. Eine Ablehnung sei „wirtschaftlich und politisch ein Fehler“ (Le Maire), Europa brauche „europäische Champions, und dazu muss ein Unternehmen eine bestimmte Größe haben“ (Altmaier). „Es wäre besser, wenn die Fusion erlaubt würde“, wandte sich auch EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici gegen Vestager. In Siemens-Kreisen werden die Folgen dieser politischen Interventionen so eingeschätzt: Die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung sei von 80 auf 60 Prozent gesunken und beide Konzerne würde nun ein letzten Versuch unternehmen, um einen Kompromiss mit Vestager zu finden. „Um jeden Preis“, werde man nicht fusionieren. Es mache zum Beispiel keine Sinn, den Bereich Signaltechnik komplett an einen Wettbewerber abzugeben, weil hier im Zusammenhang mit der Digitalisierung großes Potenzial liege.

Was sind die Alternativen?

Wenn die EU den Zusammenschluss verbietet, dann müsste sie auch eine Fusion von Siemens mit Bombardier untersagen. Der Markt bleibt auf jedem Fall unter Konsolidierungsdruck, da sind sich die Branchenexperten einig. Das Fusionskarussel bliebe in Fahrt, Alstom und Siemens würden sich womöglich bei Stadler umtun oder mit der spanischen CAF gemeinsame Sache machen. Siemens-Chef Kaeser spricht für den Schienenfahrzeugbereich von mehreren Optionen – ein Börsengang dürfte dazu gehören. Der Horror wäre für europäische Industriepolitiker, wenn eines der europäischen Unternehmen sich mit CRRC verbündet und die Chinesen dann auch in Europa richtig Fahrt aufnehmen könnten.

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