Wirtschaft

Großbritannien prescht bei “Facebook-Steuer” vor

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Die EU diskutiert seit Monaten darüber, große Techkonzerne stärker zu besteuern. Großbritannien kündigt nun kurzerhand eine eigene Digitalsteuer an.

Facebook-Zentrale in Kalifornien

Dass Großbritannien von der Bürokratie der Europäischen Union (EU) nicht viel hält, ist spätestens seit dem Brexit-Votum bekannt. Nun prescht die britische Regierung in einer Steuer-Frage vor: Finanzminister Philip Hammond hat am Montag angekündigt, eine sogenannte Digitalsteuer einzuführen.

Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stört sich bereits seit Längerem daran, dass traditionelle Wirtschaftsunternehmen Schätzungen zufolge in Europa etwa 23 Prozent Steuern zahlen – Digitalkonzerne hingegen nur acht bis neun. Die EU-Kommission hatte deshalb im März vorgeschlagen, für Digitalfirmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro sowie einem Online-Umsatz von 50 Millionen Euro in Europa eine Umsatzsteuer in Höhe von drei Prozent zu erheben. Eine Einigung ist aber noch nicht in Sicht.

Die Abgabe zielt auf Unternehmen wie Google oder Facebook ab, die mit Nutzerdaten und Werbung in Europa Geld verdienen. Welche Folgen hat der britische Vorstoß für die EU-Pläne?

Der britische Alleingang

In seinem Haushaltsentwurf, der unter anderem mehr Geld für öffentliche Ausgaben vorsieht, hat Philip Hammond auch die sogenannte „Digital Services Tax“ präsentiert – ein Pendant zur europäischen Digitalsteuer, das nur in Details von den EU-Plänen abweicht. Auch die britische Abgabe soll nur für große Internet-Unternehmen gelten; hier ist die Schwelle von mindestens einer halben Milliarde Pfund (rund 560 Millionen Euro) Umsatz vorgesehen, um die eigene Start-up-Szene nicht zu schwächen.


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Hammond sprach des weiteren von einer Steuer in Höhe von zwei Prozent, also ein Prozentpunkt weniger als die EU es vorhat. Ab April 2020 soll die neue Abgabe rund 400 Millionen Pfund pro Jahr einbringen. Der Schatzkanzler kündigte weiter an, andere Länder dazu bewegen zu wollen, sich dieser Steuergesetzgebung anzuschließen. Sollte das nicht klappen, würde Großbritannien die Abgabe aber auch im Alleingang einführen.

Die Folgen für den Brexit

Auf den ersten Blick ist der Vorstoß vor allem ein Signal: Wir können auch ohne die EU. Inwieweit eine rein britische Digitalsteuer nach dem Brexit jedoch ein Vorteil für das Vereinte Königreich wäre, ist fraglich. Denn die britische Digitalsteuer würde ausgerechnet dann greifen, wenn Großbritannien nach dem Austritt aus der EU neue Handelsabkommen mit den USA und möglicherweise noch anderen Ländern schließen muss.

Schietwetter: So heißt die Kantine von Google in Hamburg. Auch der US-Konzern soll bald mehr Steuern zahlen.

Da von der neuen Steuer vor allem US-Unternehmen betroffen sein dürften, werden die Pläne bei US-Präsident Donald Trump kaum auf Begeisterung stoßen. Schon gegen eine EU-Digitalsteuer hatten sich Republikaner und Demokraten gemeinsam in einem offenen Brief ausgesprochen. „Eigentlich wollten die Brexiteers Großbritannien nach dem März 2019 steuerlich attraktiver machen“, kommentiert der FDP-Bundestagsabgeordnete Christian Dürr die britischen Pläne. Eine eigene Digitalsteuer wäre aus seiner Sicht ein klarer Nachteil für Großbritannien.

Der Streit in der EU

Unter den EU-Finanzministern herrscht Uneinigkeit über die Umsetzung der Digitalsteuer, auch “Facebook-Steuer” genannt. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hatte erst in der vergangenen Woche auf eine baldige Einführung gedrängt und nach Gesprächen mit Scholz gesagt: „Ich halte eine Einigung bis Jahresende für möglich.“ Das Bundesfinanzministerium bestätigte dem Tagesspiegel diesen Zeitplan auf Nachfrage. Allerdings stellen sich einige EU-Mitglieder bislang quer. Im Rat der Mitgliedsstaaten fand sich bislang keine Mehrheit.

Widerstand kommt insbesondere aus Irland, wo mehrere große Internetfirmen ihren Sitz haben. Zudem warnen Experten wie das Ifo-Institut davor, dass eine EU-Steuer den Handelsstreit mit den USA verschärfen könnte. Eine solche Regelung könnte die US-Regierung dazu animieren, ihrerseits neue Zölle auf Waren europäischer Unternehmen zu erheben. Scholz wirbt deshalb parallel für eine internationale Lösung auf Ebene der Organisation für wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der auch die USA angehören.

Der Kurs der Bundesregierung

Auch innerhalb der Bundesregierung ist die Digitalsteuer nicht unumstritten. Obwohl sich sowohl Union als auch SPD zu den Plänen bekennen, wurde im Sommer bekannt, dass Experten im Finanzministerium vor einer solchen Steuer warnen. Eine „Dämonisierung der großen Digitalunternehmen“ sei nicht zielführend, zitierte die „Bild“ ein vertrauliches Papier aus dem Leitungsstab des Finanzministeriums. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte noch Anfang Oktober, man müsse aufpassen, „dass wir uns durch eine Digitalsteuer nicht selbst ein Bein stellen“.

Die SPD treibt die Pläne jedoch weiter voran. Google zahle weniger Steuern als jede Döner-Bude in Berlin, sagte Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten dem Tagesspiegel. Er lobt auch den britischen Vorstoß. „Die Chancen für eine Lösung auf europäischer Ebene stehen nun gut“, so Zimmermann. Je mehr Länder Steuern auf die Gewinne auch ausländischer Digitalkonzerne erheben, desto geringer sei die Gefahr einer Abwanderung eben dieser Unternehmen.

Die Sicht der Wirtschaft

In der Wirtschaft stößt die Idee einer neuen Steuer auf Ablehnung. Internet-Unternehmen wie Spotify, Zalando und Booking.com warnten in einem Brief an die EU-Finanzminister vor einer Digitalsteuer. Eine solche Steuer würde das Wachstum europäischer Firmen gefährden und ihre Wettbewerbsfähigkeit schwächen, erklärten dort die Chefs von insgesamt 16 Unternehmen. Es drohten Unsicherheit und Kapitalmangel, Innovation würde unterbunden.

Die etablierte Industrie schließt sich der Kritik an. So spricht sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gegen eine Digitalsteuer aus. Monika Wünnemann, Abteilungsleiterin für Steuern und Finanzpolitik beim BDI, warnt vor „Kollateralschäden“. „Die Industrie digitalisiert sich, jedes Unternehmen bietet heute auch digitale Leistungen an“, sagte Wünnemann dem Tagesspiegel. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Industrieunternehmen doch betroffen sind.“ Den britischen Vorstoß sieht der BDI kritisch. „Es ist davon auszugehen, dass andere EU-Länder diesem Beispiel folgen könnten“, sagt Wünnemann und warnt vor einer „Zersplitterung der Gesetzgebung“. Sollte es keine EU-Lösung geben, fürchtet sie, dass auch Frankreich und Italien eigene Steuern erheben.

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