Wirtschaft

In welche Banken man jetzt investieren sollte

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In den USA locken Gewinne. Doch eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank würde die Branche in Bewegung bringen.

Deutsche Bank and Commerzbank haben die Fusionsverhandlungen aufgenommen.

Der Blick zurück offenbart das Debakel. Seit 2007, als die Aktien der deutschen Großbanken kurz vor der Finanzkrise auf Zwischenhochs notierten, hat die Deutsche Bank 91,5 Prozent und die Commerzbank 96,8 Prozent verloren. Einst gehörte vor allem die Deutsche Bank zu den Weltmarktführern der Finanzindustrie. Zwölf Jahre später kämpfen die Geldhäuser mit schwachen Gewinnen, Umstrukturierungen und Problemen im Investmentbanking.

Gerade mal 16,2 Milliarden Euro war die Deutsche Bank am Mittwoch wert, die Commerzbank sogar nur 9,2 Milliarden. Im Herbst 2018 flog die Deutsche Bank aus dem Index der 50 wertvollsten Unternehmen der Euro-Zone, dem EuroStoxx 50, und die Commerzbank musste den Dax verlassen. Sollten die nun gestarteten Gespräche zur Fusion der beiden Geldhäuser tatsächlich in einer größeren „Deutschen Commerzbank“ enden, wäre die Wiederaufnahme in den EuroStoxx sicher. Bei der Bilanzsumme rückte die neue Bank auf Rang drei in Europa. Gemessen am Marktwert von zusammen gut 25 Milliarden Euro bliebe sie jedoch im internationalen Vergleich ein Zwerg. Der US-Marktführer JP Morgan Chase etwa kommt auf einen Marktwert von 310 Milliarden Euro.

Schädliche Strafzinsen

Doch auch die europäische Konkurrenz ist den Deutschen enteilt: Die BNP Paribas, Marktführer in Frankreich, ist gut 56 Milliarden Euro schwer und hat 2018 unter dem Strich 7,5 Milliarden verdient. Das waren zwar drei Prozent weniger als ein Jahr zuvor, aber 20-mal mehr als bei der Deutschen Bank, die für das vergangene Jahr nur 341 Millionen verbuchen konnte. HSBC, britischer Marktführer und größte Bank Europas, kostet an der Börse sogar 149 Milliarden Euro. Bei der spanischen Großbank Santander, der größten Bank der Euro-Zone, sind es 73 Milliarden, bei der Schweizer UBS 40 und bei Unicredit 27 Milliarden Euro.

Hauptgründe für die Schwäche des europäischen Bankensektors im Vergleich zu den USA sind vor allem die Null- oder sogar Strafzinsen der Europäischen Zentralbank, die starke Zersplitterung des europäischen Bankenmarktes und die massive Regulierung. Das jedenfalls glauben Jim Reid und Kinner Lakhani, Autoren der Studie „How to fix European Banking“ der Deutschen Bank. So müssten europäische Banken pro Jahr im Schnitt acht Milliarden Euro Strafzinsen auf ihre Reserven zahlen, während die US-Banken im vergangenen Jahr 40 Milliarden Zinsen erhalten hätten. Zudem profitierte die US-Finanzindustrie von massiven Steuersenkungen. Während die USA, wo die Zinsen bereits achtmal erhöht worden sind, 2019 auf ein Wachstum von 2,5 Prozent hinsteuerten, drohe Europa eine Fortsetzung der Nullzinspolitik. Auch eine Angleichung an japanische Verhältnisse, also jahrzehntelange Nullzinsen bei wirtschaftlicher Schwäche, sei denkbar.


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Auch in Zukunft wenig Kurspotenzial

Ohnehin hat die Finanzindustrie auf dem ganzen Globus in den vergangenen 15 Jahren deutlich schwächer abgeschnitten als der Gesamtmarkt. So hat der Index MSCI Europe Banks zwischen Februar 2004 und Februar 2019 insgesamt 76 Prozent zugelegt, der branchenübergreifende MSCI Europe jedoch um 226 Prozent. Sogar in den USA, wo sich Bankaktien seit der Finanzkrise deutlich besser behaupten als in Europa, war die Wertentwicklung des Gesamtmarktes doppelt so stark wie jene der Finanzaktien. Die Folge: Während US-Banken klar über ihrem Buchwert notieren, wollen Investoren für Europas Banken im Schnitt nur den halben Buchwert hinblättern. Im Schnitt aller Aktien ist langfristig etwa der doppelte Buchwert die Regel.

Viele Analysten sehen auch in Zukunft wenig Kurspotenzial. So haben von 21 Analysten elf ihren Daumen für die Deutsche Bank gesenkt und raten zum Verkauf, zehn sehen eine Halteposition, niemand rät zum Kauf. Analystin Anke Reingen von der Royal Bank of Canada etwa glaubt, eine Fusion werde dazu führen, dass „fundamental werthaltigere Banken wie Unicredit, BNP Paribas oder ING ihre Marktanteile ausbauen“ könnten. Die NordLB senkte sogar die Kursprognose von acht auf sieben Euro und stufte das Papier auf „Verkaufen“ herunter.

Bei der Commerzbank sind Beobachter optimistischer: Von 19 Analysten sehen zwei eine Verkaufsposition, elf raten zum Halten und sechs zum Kauf. Christian Koch, Bankenanalyst der DZ Bank, etwa glaubt, dass es nicht zu einer Fusion kommen, der Markt aber erkennen werde, dass die Aktie zu niedrig bewertet sei. Ein Käufer würde das Papier derzeit zu einem Drittel seines Eigenkapitals bekommen. Deshalb könnten Commerzbank-Aktionäre im Fall einer Fusion von einer Prämie auf den aktuellen Kurs profitieren. Am Markt gehen viele davon aus, dass die Bank bei einem Zusammengehen mit der Deutschen Bank um etwa 20 Prozent höher bewertet werden könnte.

Mehr Chancen bei amerikanischen Werten

Davon würde auch der Steuerzahler profitieren, denn der Staat ist – als einer der Befürworter der Fusion – mit 15 Prozent an der Commerzbank beteiligt und liegt mit seinem Engagement im Minus. Die meisten Brancheninsider jedoch lehnen die Finanzheirat ab. Auch größere Aktionäre der Deutschen Bank, etwa Katar oder der US-Vermögensverwalter Blackrock, sehen eine Fusion dem Vernehmen nach negativ. Sollte die Fusion dennoch Realität werden, könnte sie der Auftakt zu einer Konsolidierungswelle in Europa sein. Ohnehin ist der Bankenmarkt in Europa deutlich stärker zersplittert als in den USA. Dort halten die fünf größten Banken die Hälfte aller Banken-Assets; bei Europas Big Five ist es nur ein Viertel. Auch denken in Europa die Verbraucher national: Nur ein Prozent hat Kredite bei einer Bank außerhalb der eigenen Grenzen aufgenommen, bei den Unternehmen sind es neun Prozent.

Transnationale Fusionen würden dies beschleunigen und die Lage der Banken in Europa verbessern, so Reid und Lakhani in ihrer Studie. Sie gelten auch als Kurstreiber, sodass im Fall weiterer Zusammenschlüsse und Aufkäufe ein gewisses Kurspotenzial für den Bankensektor in Europa bestehen könnte. Insgesamt gibt es allein in der Euro-Zone etwa 5500 Finanzinstitute. Auch die zunehmende Präsenz digitaler Bank-Start-ups (FinTechs) und der Digitalisierungsdruck könnte Fusionswellen in Schwung bringen. Angeblich sollen sich zum Beispiel die italienische UniCredit und die französische Société Générale ebenfalls nach Partnern umsehen.

Mehr Chancen als in Europa sehen die meisten Analysten hingegen weiter bei amerikanischen Finanzwerten. Die fünf größten US-Banken – JP Morgan Chase, die Bank of America, Goldman Sachs, die Citigroup und Wells Fargo – verdienten 2018 zusammen fast 110 Milliarden Dollar. In Europa kann nur die HSBC, die zu einem erheblichen Teil in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong aktiv ist, mit den US-Banken einigermaßen mithalten. Den Jahresgewinn der Deutschen Bank verdient JP Morgan in weniger als einer Woche. Ein 75-prozentiges Kursplus binnen drei Jahren reflektiert ihre Gewinnsituation. Aktionäre der Bank of America verdienten seit 2016 sogar 116 Prozent. Auch Star-Investor Warren Buffet hat seine Positionen im US-Bankensektor kürzlich ausgebaut und dabei auf die starke Gewinnsituation verwiesen.

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