Wirtschaft

Jack Wolfskin steckt in der Krise

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Deutschlands bekanntester Windjackenanbieter schwächelt: Die Verkaufszahlen enttäuschen, die Schulden übersteigen den Umsatz. Die Geschichte eines Abstiegs.

Statt auf echte Gipfelstürmer hat Jack Wolfskin auf Masse gesetzt – und damit sein Image verwässert.

Sie erklimmen den Kreuzberg, überwinden Eisschollen auf dem Lietzensee oder kämpfen sich durch die Schneemassen vor dem S-Bahn-Eingang Messe Süd: Outdoorjackenträger sind in Berlin allgegenwärtig. Kaum ein Gang zum Supermarkt, bei dem man nicht von einem Rudel Betatzter umzingelt wird. Das Logo der Marke Jack Wolfskin ist allzu vertraut. Umso überraschender, dass der Ausrüster aus Idstein im Taunus in einer handfesten Krise steckt: Die Profitabilität sinkt, das Unternehmen ist schwer verschuldet.

Auf 365 Millionen Euro belaufen sich die Außenstände Brancheninsidern zufolge. Jetzt werden Kredite fällig, bis spätestens Sommer muss die Firma neues Kapital aufgetrieben haben. Der amerikanische Eigentümer Blackstone hatte aber erst 2015 satte 75 Millionen Euro nachgeschoben – und 2011 immerhin 700 Millionen Euro für das Unternehmen bezahlt. Während er offiziell einen Käufer sucht, der sich nicht findet, ist die Rede von einem Schuldenschnitt, der dem Ausrüster die Hälfte seiner Last nehmen soll. Doch die Gläubiger wollen nicht ohne Gegenleistung auf ihre Forderungen verzichten.

Hedgefonds streben die Übernahme an

Die Gläubiger von Jack Wolfskin sind zumeist Hedgefonds: Sie heißen HIG Capital, CQS oder Sankaty und haben Banken ihre Forderungen an Jack Wolfskin abgekauft. Es ist zu vermuten, dass sie es von vornherein auf eine Übernahme abgesehen hatten. Ein gängiges Muster. Und mit Sicherheit einer der Gründe für die Misere des Windjackenherstellers, aber nicht der einzige. Schon Blackstone hatte der Firma hohe Zinszahlungen aufgebürdet und sie auf das Erreichen kurzfristiger Quartalsziele getrimmt. Angeblich soll Blackstone den Hessen zudem pro Jahr eine Million Euro für „erbrachte Leistungen“ in Rechnung stellen.

Probleme in Dimensionen, von denen der Frankfurter Ulrich Dausien wohl nicht ansatzweise etwas ahnte, als er 1981 die Marke Jack Wolfskin erfand. Der damals 25-Jährige, leidenschaftlicher Pfadfinder, unterhielt einen Laden für Wanderbedarf. Die Doppeljacke war seine Idee: Zwei Jacken, die sich mit einem Reißverschluss zu einer dicken verbinden lassen. Das Geschäft, „Sine“, gibt es nicht mehr. Auch Dausien hat mit Jack Wolfskin nichts mehr zu tun, wenngleich er dem Thema treu geblieben ist: Seine YeahAG betreibt bundesweit 37 Filialen des Outdoor-Discounters McTrek, zwei davon in Berlin. Für 15 Millionen DM verkaufte der junge Mann Wolfskin 1991 an das US-Unternehmen Johnson Outdoors. Es sollten noch viele Besitzer folgen. Jeder wollte die Marke mit der Wolfspfote haben, denn die entwickelte sich rasant: Zwischen 2005 und 2010 konnte sie den Umsatz mehr als verdreifachen, der dann 345 Millionen Euro betrug.


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Funktionskleidung gibt es auch bei Aldi und Tchibo

Doch sowohl das Unternehmen, das heute 800 Mitarbeiter beschäftigt, als auch der Markt sind nicht mehr die gleichen wie damals, sagt Gerd Hessert, Handelsexperte der Universität Leipzig. „Die Wettbewerbssituation ist kritischer geworden.“ Der Outdoor-Boom, von Jack Wolfskin losgetreten, wird der Firma zum Verhängnis: Mehr als 1400 Marken buhlen international um die Gunst der Freizeitabenteurer. Es sind allerdings weniger die großen, etablierten Wettbewerber wie die US-Firma The North Face oder der Schweizer Fabrikant Mammut, die Jack Wolfskin zusetzen – sie haben ihrerseits mit Umsatzrückgängen zu kämpfen. Jüngere, frischere Marken wie das schwedische Fjällräven oder Vaude vom Bodensee schnappen die junge Klientel weg. „Händler wie Intersport oder Decathlon produzieren Eigenmarken, die in den Augen vieler Verbraucher keineswegs schlechter, aber günstiger sind“, sagt Hessert. Schließlich mischen auch branchenfremde Anbieter mit: Von Billigmodeketten wie H&M und Primark über den Kaffeeröster Tchibo bis hin zu Lebensmitteldiscountern wie Aldi und Lidl – Funktionskleidung findet sich nahezu überall.

Als die Umsätze im Fachhandel zurückgingen, eröffnete das Unternehmen eigene Läden.

Erst recht im Internet. „Jack Wolfskin hat sich sehr lange nicht mit einer eigenständigen E-Commerce-Strategie beschäftigt“, sagt Hessert. Das war in doppelter Hinsicht ein Fehler. Zum einen wurde die Chance verpasst, sich frühzeitig einen neuen Vertriebskanal zu erschließen. „Der Onlinehandel mit völlig neuen Vergleichsmöglichkeiten hat auch ein neues Preisbewusstsein begründet.“ So schier endlos das Angebot auch ist, letztlich unterscheiden sich die Wetterjacken, die auch bei Jack Wolfskin überwiegend in Thailand und Vietnam produziert werden, nur in Nuancen. Wer da nicht über den Preis verkaufen will, braucht ein starkes Image.

Hundewiese statt Himalaya: Das Image ist verwässert

Hat Jack Wolfskin also ein Image-Problem? „Jack Wolfskin hat zumindest in der breiten Bevölkerung kein schlechtes Image. Fast jeder Zweite in Deutschland trägt ja eine Outdoor-Jacke von dem Unternehmen oder einen der Rucksäcke“, beobachtet Doreen Pick, Professorin für Marketing an der Hochschule Merseburg. Aber hier liegt das Problem: „Ein Konsument braucht nicht unzählige Regenjacken, sondern vielleicht eine oder zwei.“ Die Bevölkerung sei quasi grundversorgt – zumal Produkte dieser Art einen relativ langen Lebenszyklus haben. In der Tat scheint ein gewisser Sättigungseffekt eingetreten zu sein. Zwar gaben Europäer im vergangenen Jahr noch elf Milliarden Euro für Outdoorartikel aus, laut Branchenverband war das mit zwei Prozent aber ein recht maues Wachstum im Vergleich zu den Vorjahren. „Jack Wolfskin wird eher von Best-Agern, also Menschen ab 50 getragen, das trägt nicht dazu bei, dass 20-Jährige sich für die Marke entscheiden“, sagt Pick. Gewonnen haben zuletzt ausschließlich Nischenanbieter wie Patagonia aus Kalifornien, der durch seinen Ökoansatz punktet.

„Jack Wolfskin steht für eine solide deutsche Marke – aber zum Beispiel nicht für Abenteuer, Wagnis oder Innovationen“, urteilt die Marketingexpertin. Die Werbung zeigt, was die Marke gerne wäre: Eine für Abenteurer, denen kein Berg zu hoch, kein Pol zu kalt ist. Stattdessen hat das Unternehmen auf Masse gesetzt, auf den Durchschnitts-Großstädter, der in seiner Bequemlichkeit auch nicht gerne nass wird. Allein: Die Omnipräsenz der Marke auf Hundewiesen und in Douglas-Schlangen hat am sportlichen Image gekratzt. Echte Kletterer und Entdecker vertrauen lieber auf Spezialisten, Stadtmenschen dagegen sind untreue Gesellen, die sich von Moden leiten lassen.

Teure Läden blieben leer

War Jack Wolfskin vor ein paar Jahren noch der nach Adidas größte Lieferant von Ketten wie Intersport und Sportscheck, spielen die Artikel im Fachhandel inzwischen lediglich eine Nebenrolle. Das Unternehmen hat deshalb auf eigene Läden gesetzt. Im Herbst musste es seine Gewinnprognose jedoch aufgrund anhaltend schwacher Geschäftszahlen um die Hälfte senken. Für 2017 rechnet Jack Wolfskin nur noch mit einem operativen Gewinn von 30 Millionen Euro. Keine Frage: Viele hätten den gern. Jack Wolfskin ist im Kern immer noch ein profitables Unternehmen. Doch die Negativentwicklung aufzuhalten, das will dem einstigen Pionier offenbar nicht gelingen.

Die Lösung hatte er im Ausland gesucht. In einer Expansion nach China, ehrgeizig und mit viel Geld vorangetrieben. Heute verweist die Firma auf ihrer Website stolz auf 610 Läden in Asien. Besucht werden die aber wohl vornehmlich von deutschen Touristen, denen unterwegs ein Wanderstock abhanden gekommen ist. Aktualisiert worden sind die Daten seit anderthalb Jahren auch nicht. So ist die Rede von 226 Stores in Deutschland – Mitte vergangenen Jahres waren es aber schon mindestens 40 weniger.

„Jack Wolfskin braucht einen Eigentümer mit viel Geduld“, sagt Handelsexperte Hessert. So einen gemütlichen – keinen, der den Kick sucht.

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