Wirtschaft

Millionen Menschen wollen mehr arbeiten

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Die einen wollen ihre Wochenstunden aufstocken, den anderen wird der Job zu viel. Ein unveränderliches Phänomen.

Millionen Bundesbürger würden gerne mehr arbeiten. Viele Teilzeitkräfte arbeiten in der Gastronomie.

Sehr viele Frauen und Männer arbeiten in Deutschland weniger als sie möchten. Rund 2,4 Millionen Berufstätige hätten im Schnitt gern eine um 10,9 Stunden längere Arbeitswoche, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Im Mittel arbeiteten diese Menschen im vergangenen Jahr 28,5 Stunden pro Woche. Unter ihnen waren vor allem Teilzeitbeschäftigte und Mini-Jobber.

Allein die Zahl der Teilzeit-Beschäftigten ist hierzulande in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen – von acht Millionen auf mehr als 15 Millionen. Die große Mehrheit sind Frauen. Eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass drei von vier Müttern ihre Teilzeitbeschäftigung mit der Betreuung von Kindern begründen. Jede zehnte Frau hat keine Vollzeitstelle bekommen. Vor allem Pflegerinnen und Erzieherinnen berichten oft, dass lieber zwei Teilzeitstellen geschaffen werden als ein Vollzeitjob.

Maßgeblich für den Wunsch nach mehr Arbeitsstunden könnte das Gehalt sein: Bei der Befragung des Statistischen Bundesamtes sollten die Beschäftigten berücksichtigen, dass mehr Arbeit zu mehr Verdienst führe und eine Verkürzung umgekehrt zu Einbußen. Frauen, die dauerhaft nur Teilzeitjobs haben, leben meist nicht nur mit wenig Geld. Ihnen droht auch Armut im Alter. Deswegen hat die Große Koalition das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit beschlossen, das es ihnen ab dem nächsten Jahr leichter machen soll, wieder mehr zu arbeiten und mehr zu verdienen.

Lieber 30 Stunden statt Überstunden

All dem stehen gleichzeitig 1,4 Millionen Erwerbstätige gegenüber, die beruflich gerne kürzer treten würden – im Mittel um 10,8 Stunden pro Woche. Diese sogenannten „Überbeschäftigten“ sind durchschnittlich 41,8 Stunden pro Woche für den Beruf im Einsatz. Was sie möchten, sind 30 Stunden. Die Zahl jener, die gerne weniger schuften würden, ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich um 20 Prozent gestiegen. Nach Einschätzung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) handelt es sich häufig um hochqualifizierte Führungskräfte. Dies bestätigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus diesem Herbst, die besagt: Je höher der Bildungsstand, desto höher die Wahrscheinlichkeit, zu viel tun zu müssen.

Die Vize-Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Ferschl, verlangte pauschal kürzere Arbeitszeiten. „Die einen arbeiten bis zum Umfallen, die anderen haben keine oder zu wenig Arbeit. Wer die Ausweitung der Höchstarbeitszeit à la Österreich fordert, hat schon lange keinen Betrieb mehr von innen gesehen“, sagte sie zu den neuen Zahlen. Die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke verlangte bessere rechtliche Möglichkeiten für Teilzeitkräfte, ihre Arbeitszeit wieder auszuweiten. Generell sollten Beschäftigte „mehr Einfluss auf ihre Arbeitszeit nehmen können“.

Manche Unternehmen gehen auf Wünsche ein

Weil das Zeitthema derzeit ein so großes ist, können die Menschen das in manchen Branchen bereits. Für die Metallbeschäftigten haben die Tarifpartner ab 2019 Arbeitszeitverkürzungen vereinbart. Im Kern geht es für Zehntausende Beschäftigte um die Möglichkeit, für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren 28 Wochenstunden zu arbeiten. Nach dem Tarif der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft können die Beschäftigten seit diesem Jahr entscheiden, ob sie 2,6 Prozent mehr Geld, eine Stunde weniger Wochenarbeitszeit oder sechs Tage mehr Urlaub haben wollen. 56 Prozent wählten die freien Tage, nur 42 Prozent wollten die Lohnerhöhung.

30 statt 40 Stunden? Vier Tage statt fünf Tage? Nach Aufgaben statt nach Stunden bezahlen? Immer mehr Unternehmen sind offen für diese Fragen, oder setzen eines der Modelle um, weil sie mit einer Generation verhandeln, die mehr Zeit für sich oder die Familie haben möchte. Das ist die eine Wirklichkeit. Die Realität von mehr als einer Million anderen Menschen sieht in Deutschland so aus, dass sie einmal im Monat verzweifelt auf den Gehaltszettel schauen, sich stark einschränken oder ihr Gehalt mit Sozialleistungen aufstocken. Trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen bleibt Arbeit in Deutschland ungleich verteilt.

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