Wirtschaft

Neuer Onlinedienst verspricht Abfindung ohne Anwaltskosten

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Bislang half Flightright Passagieren bei Ärger mit Fluglinien. Nun erweitern das Start-up sein Geschäft auf das Arbeitsrecht – und ist damit nicht allein.

Abfindung einfordern. Nach einer Kündigung scheuen manche den Gang vor das Arbeitsgericht – oft aus Sorge um die Anwaltskosten….

Das Potsdamer Start-up Flightright hat schon manchem verärgerten Fluggast geholfen. Bei größeren Verspätungen oder Ausfällen stehen den Betroffenen in der EU Entschädigungen von bis zu 600 Euro zu. Viele wissen das gar nicht oder scheuen den vermeintlichen Aufwand, das Geld einzufordern. So werden nach Branchenschätzungen nur etwa 15 Prozent der etwa fünf Milliarden Euro ausgezahlt, auf die sich die Ansprüche jährlich europaweit summieren.

Hier helfen Flightright und andere Anbieter wie Fairplane, Refund.me oder EUclaim. Nutzer geben online ihre Flugdaten ein, die Plattformen kümmern sich dann darum, die Forderungen einzutreiben – notfalls auch vor Gericht. Im Erfolgsfall behalten sie etwa ein Viertel des Betrags als Provision ein. Allein Flightright hat seit der Gründung 2010 für seine Nutzer 150 Millionen Euro an Entschädigungen eingefordert.

Im Einzelfall können Geschädigte dabei ein Großteil des Flugpreises erhalten. Trotzdem sind die Summen nicht hoch genug, dass es sich gelohnt hätte, einen klassischen Anwalt einzuschalten. Genau hier setzt das Geschäftsmodell von vielen sogenannten Legaltech-Start-ups wie Flightright an: Sie bieten in solchen Situationen rechtliche Hilfe. Das Modell funktioniert, weil sich die Fälle stark ähneln und der Prozess hochgradig automatisiert ist. Was früher ein Anwalt formuliert hätte, fügt inzwischen ein Algorithmus aus Textbausteinen zusammen.

Schon seit Längerem überlegten die Potsdamer, wie sie das aufgebaute Wissen bei der datengetriebenen Analyse und Bewertung von Rechtsansprüchen auch auf andere Bereiche übertragen können. Im Frühjahr wurde dazu die X-Right GmbH gegründet. „Auch andere Branchen sollen zukünftig von unserer Expertise und unseren Erfahrungen profitieren, indem wir unsere Stärken auf andere Rechtsgebiete übertragen“, sagte Flightright-Chef Sebastian Legler.

Provision nur im Erfolgsfall

Nun haben sie das nächste Feld gefunden: das Arbeitsrecht. Mit der neu gegründeten Tochterfirma Chevalier wollen sie vor allem im Kündigungsfall helfen. „Prüfen Sie jetzt in unter zwei Minuten Ihre mögliche Abfindung“, wirbt das Start-up auf seiner Seite.

„Wir wollen den Leuten einen anderen Zugang zum Recht bieten“, sagt Chevalier-Chef Simon Wolff. Dazu bietet das Unternehmen ähnlich wie Flightright ein Modell, bei dem die Mandanten nur im Erfolgsfall eine Provision abtreten. Allerdings gibt es dabei keinen festen Prozentsatz. „Wir versuchen, nicht teurer zu sein als ein klassischer Anwalt, aber wollen den Mandanten das Kostenrisiko nehmen“, sagt Wolff.

Als Richtwert gibt er etwa ein Drittel der Abfindung an, je höher die Beträge desto geringer werde der prozentuale Anteil. Vor allem bei vergleichsweise kleinen Abfindungen soll sich der Service lohnen. Chevalier arbeitet dabei mit einem Partneranwalt zusammen und bietet selbst eine Prozessfinanzierung an. Mandanten können aber auch darauf verzichten und die üblichen Anwaltshonorare zahlen oder über die Rechtsschutzversicherung abrechnen lassen, wenn sie eine haben. Solche Details zeigen, dass es gar nicht so einfach ist, das Erfolgsmodell aus dem Bereich Fluggastrechte auf andere Felder zu übertragen. „Anfangs wollten wir einfach Flightright für Arbeitsrecht entwickeln“, sagt Wolff. Bald merkten die Gründer, dass das nicht eins zu eins funktioniert. So könne man sich nicht durchklicken und den Prozess komplett im Netz erledigen, sondern es gebe immer ein Beratungsgespräch.

Andere Anbieter bieten auch Hilfe bei Kündigung

Zumal auch die etablierten Anwälte den Angriff auf ihr Geschäft nicht tatenlos hinnehmen. Das erlebte auch ein anderes Unternehmen, nachdem es schon im Vorjahr mit der gleichen Idee gestartet war. Abfindungsheld nennt das Berliner Start-up sein Angebot. Der Anwaltverein Bielefeld ging gegen viele vollmundige Werbeversprechen vor. Das Landgericht Bielefeld untersagte eine Reihe von Aussagen, darunter die Behauptung, man sei „günstiger als jeder Anwalt“.

Das Portal nimmt eine Provision von 24 bis 35 Prozent. Es bietet zudem an, die mögliche Forderung abzukaufen und im Gegenzug eine Sofortabfindung von bis zu 25 000 Euro zu zahlen. Das Modell komme gut an. „Im Arbeitsrecht müssen Gekündigte den Anwalt immer bezahlen, egal ob sie verlieren oder gewinnen“, sagt Unternehmenschef Robin Friedlein. „Schlimmstenfalls gibt es also keine Abfindung und der Anwalt ist trotzdem zu bezahlen.“ Wenn man gerade den Job verloren hat, schnell eine zusätzliche Belastung. Mehr als 1000 Fälle hat das Start-up nach eigenen Angaben bislang betreut, mit einer Gewinnquote von 90 Prozent. Im Schnitt betrugen die Abfindungen dabei zuletzt 6000 Euro.

Das Berliner Legal-Tech-Start-up Mietright, das ursprünglich als Plattform für Mietfragen gestartet war, bietet auf der Seite Mehrabfindung.de gekündigten Arbeitnehmern ebenfalls Unterstützung.

Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die neue Flightright-Tochter gegen Konkurrenz etablieren kann – einerseits die anderen Start-ups in diesem Feld, vor allem aber die etablierten Anwälte für Arbeitsrecht. Gründer Wolff weiß schließlich selbst, dass die Situation der Betroffenen eine ganz andere ist. Fluggäste schimpfen zwar über Ausfälle und Verspätungen, vergessen den Ärger aber schnell und freuen sich dann, wenn sie später eine Entschädigung bekommen. Der Verlust des Jobs ist da etwas ganz anderes – selbst wenn er mit einer Abfindung entschädigt wird.

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