Wirtschaft

Warum das Porto drastisch steigen könnte

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Bald könnte ein Standardbrief 90 Cent kosten. Das ist nur möglich, weil das Wirtschaftsministerium eine neue Berechnungsgrundlage für die Post schaffen will.

Teure Ware: Eine Mitarbeiterin der Deutschen Post sortiert Briefe im Briefzentrum.

Zuerst die gute Nachricht für alle Kunden der Deutschen Post: Die angedachte Porto-Erhöhung zum 1. April dieses Jahres fällt aus. Doch die schlechte Nachricht folgt sogleich: Stattdessen werden die Preise im Sommer umso mehr steigen. Das berichtet die „FAZ“ und beruft sich auf einen Entwurf zur Änderung der Post-Entgeltregulierungsverordnung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi). Statt der für Frühjahr geplanten Erhöhung von derzeit 70 auf 80 Cent soll ein Standardbrief ab Mitte des Jahres demnach sogar 85 oder gar 90 Cent kosten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Änderungen.

Darf die Post das Porto einfach so erhöhen?

Die Deutsche Post kann den Preis für den Briefversand nicht selbstständig festlegen. Normalerweise schlägt die Post einen Wert innerhalb eines festgelegten Spielraums vor, der dann von der Bundesnetzagentur genehmigt werden muss. Die so festgesetzten Preise gelten meistens für drei Jahre. Der „FAZ“ zufolge will das BMWi nun aber eine Verordnung ändern, auf deren Basis die Post das Briefporto deutlich stärker anheben könnte als bisher. Denn der Spielraum, innerhalb dessen die Post neue Preise festsetzen kann, soll künftig anders berechnet werden.

So sollen als Orientierungsgrundlage „in struktureller Hinsicht vergleichbare Postunternehmen in Europa“ gelten. Dadurch würden viele Unternehmen wegfallen, die bisher in die Berechnungen einflossen; etwa Unternehmen aus Staaten mit extrem niedrigem Porto (zum Beispiel aus Russland, Bulgarien oder Zypern) und reine Staatsunternehmen. Das spielt der Deutschen Post in die Hände und ermöglicht größeren Handlungsspielraum.

Wieso braucht die Post mehr Geld?

Das Brief- und Paketgeschäft ist bei der Deutschen Post eine Großbaustelle. Die Zahl der versendeten Briefe und Postkarten sinkt dank moderner Kommunikationsmittel wie E-Mails oder Messenger-Diensten immer weiter – und mit ihr die Einnahmen. Gleichzeitig steigt das Volumen im Paket-Versand durch den Onlinehandel stark an – was wiederum enorme Investitionen erfordert. Nicht zufällig hat sich die Summe der Beschwerden zu Postdiensten bei der Bundesnetzagentur gegenüber 2017 fast verdoppelt, gegenüber 2016 sogar mehr als verdreifacht.

Post-Chef Frank Appel hat deshalb bereits Sparmaßnahmen aufgesetzt. Doch er hatte stets betont, dass eine deutliche Portoerhöhung dennoch notwendig sei. Wenn es nach ihm ginge, stünde sogar die Sechstagezustellung zur Debatte. Nach EU-Recht würde die Postzustellung auch an fünf Tagen pro Woche genügen.

Wem gehört die Post überhaupt?

Die Post ist zwar nicht mehr mehrheitlich in staatlichem Besitz, aber über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hält der Staat aktuell noch 20,6 Prozent – der Rest ist Streubesitz. Es führt immer wieder zu Klagen von Mitbewerbern, dass die Post sowohl Mitspieler als auch Schiedsrichter in der Zustellerbranche sei.

Der Vorwurf lautet unter anderem, dass die Deutsche Post über Gewinne am Briefmarkt ihr Paketgeschäft subventioniere. Dem widerspricht das Unternehmen mit Verweis auf Untersuchungen der EU-Kommission und der Bundesnetzagentur allerdings regelmäßig.

Welche Reaktionen gab es?

Die Deutsche Post zeigte sich wenig überraschend erfreut von der Initiative des BMWi, zur künftigen Höhe des Briefpreises könne man aber noch keine Angaben machen. Ein Sprecher des Ministeriums von Peter Altmaier sagte aber, sein Haus rechne nicht damit, dass das Porto noch in diesem Jahr auf 90 Cent steigen werde.

Die Opposition kritisiert die Pläne. Die Bundesregierung setze sich erneut „über die Unabhängigkeit und Expertise der Bundesnetzagentur hinweg“, monierte der FDP-Bundestagsabgeordnete Reinhard Houben. Diese KfW-Beteiligung ist nach Houbens Ansicht Grund für die Rechtsänderung: „Um die eigene Rendite zu erhöhen, bittet die Bundesregierung die deutschen Verbraucher zur Kasse.“

Die Börse reagierte positiv auf die Nachricht. Am Montagmorgen legte die „Aktie Gelb“ um rund drei Prozent zu und hielt auch über den Tag hinweg ein Plus von deutlich über zwei Prozent.

Wie haben sich die Preise entwickelt?

Frank Appel ist seit 2002 Mitglied des Vorstands und seit dem 18. Februar 2008 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post AG.

Bei der Einführung des Euro 2002 war das Porto für einen Standardbrief auf 56 Cent festgelegt worden. Gleich nach einem Jahr wurde der Preis auf 55 Cent gesenkt, doch danach mussten sich deutsche Briefeschreiber über zehn Jahre nicht mehr an neue Gebühren gewöhnen. Erst 2013 ging es auf 58 Cent hoch, es folgten die Schritte 60, 62 und seit Januar 2016 schließlich 70 Cent, die bis heute Bestand haben.

Zu Zeiten der D-Mark hatte sich das Porto in der Bundesrepublik von 20 Pfennig im Jahr 1948 auf eine Mark im Jahr 1989 erhöht. 1997 folgte der Anstieg auf 1,10 D-Mark, die nach fünf Jahren in Euro umgerechnet wurden.

Wie teuer ist ein Brief im Ausland?

Das Porto in Deutschland ist im europäischen Vergleich durchschnittlich bis günstig. Die Deutsche Post wertet das jährlich für die 28 EU-Mitgliedstaaten, Island, Norwegen und die Schweiz aus. Unter Berücksichtigung der Arbeitskosten und der Kaufkraft kam die Post für 2018 zu dem Ergebnis, dass es lediglich in fünf Staaten günstiger ist, Briefe aufzugeben – in der Schweiz, Zypern, Österreich, Slowenien und Malta. Und wird allein der Preis einer Briefsendung verglichen, liegt Deutschland im Mittelfeld – in 14 von 31 Ländern ist es günstiger.

Der Durchschnittspreis für eine inländische Standardbriefsendung in Europa lag 2018 bei 1,02 Euro. Wer einen Brief in Island aufgibt, zahlt am meisten (umgerechnet 4,94 Euro). Wer ihn innerhalb Maltas verschickt, am wenigsten (0,26 Euro). Inflationsbereinigt hat sich im vergangenen Jahrzehnt der Briefversand in den untersuchten Ländern um 55,32 Prozent verteuert – das ist deutlich mehr als in Deutschland im selben Zeitraum.

Wie viele Briefe werden noch geschrieben?

Tatsächlich sind Briefe und Urlaubspostkarten schon lange nicht mehr die Haupteinnahmequelle der Deutschen Post. Auf Anfrage des Tagesspiegels teilt das Unternehmen mit, dass der Umsatz des Bereiches „Brief Kommunikation“, der Postkarten und Briefe umfasst, lediglich etwas mehr als zehn Prozent des Gesamtumsatzes der Deutschen Post ausmacht. 2017 waren es 6,4 Milliarden Euro von 60,4 Milliarden Euro.

„Die monatlichen Ausgaben der Privathaushalte in Deutschland für Briefdienstleistungen sinken im Übrigen seit Jahren und lagen 2017 bei 2,34 Euro“, teilt ein Sprecher der Deutschen Post weiter mit. Mit Blick auf die absoluten Zahlen ist das Brief-Geschäft allerdings nach wie vor nicht zu verachten. 2017 wurden in Deutschland 18,5 Milliarden Briefsendungen verschickt. Darin enthalten sind auch Werbepost, Büchersendungen und 195 Millionen Postkarten. 2014 waren es allerdings noch 20,5 Milliarden Briefsendeungen.

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