Wirtschaft

Großkonzerne bestimmen, was wir essen

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Eine Studie zeigt: Die Marktmacht der Agrar- und Lebensmittelkonzerne steigt. Und zwar vom Saatguthersteller bis zur Supermarktkette. Die Folgen sind vielen Verbrauchern nicht bewusst.

Weil hinter vielen Marken dieselben Konzerne stehen, hat der Kunde weniger Wahlfreiheit, als er denkt.

120 Kaiser’s-Filialen gab es noch bis vor Kurzem in Berlin. Nun verschwindet das rote Logo aus dem Stadtbild, wird ersetzt durch das von Edeka oder Rewe. Wieder hat Deutschland eine Supermarktkette weniger, steigt die Marktmacht der verbleibenden. Vier Großkonzerne teilen den Handel mit Lebensmitteln inzwischen hierzulande unter sich auf. Zusammen dominieren Aldi, Edeka, Rewe und die Schwarz-Gruppe mit den Lidl- und Kaufland-Läden 85 Prozent des Marktes. Dabei sagt Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung: „Das ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Über die gesamte Wertschöpfungskette der Lebensmittel hinweg sei die Marktmacht der Großkonzerne zuletzt stark gestiegen: vom Hersteller der Landmaschinen über die Produzenten von Saatgut, die Lebensmittelindustrie bis hin zum Handel.

Der Grund: In all diesen Bereichen hat es zuletzt Fusionen gegeben. Und zwar nicht wenige. Allein in den letzten zwei Jahren fanden fünf der zwölf kapitalintensivsten Übernahmen börsennotierter Firmen im Argar- und Ernährungsbereich statt. So steht es im „Konzernatlas“, einem Report über die Marktmacht in der Agrar- und Lebensmittelindustrie, die die Heinrich-Böll-Stiftung am Dienstag zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Organisationen wie Oxfam, BUND und Germanwatch präsentiert hat.

Große Konzerne bestimmen den Markt

Demnach vereinen zum Beispiel vier Großkonzerne 70 Prozent des Handels mit Agrarrohstoffen wie Weizen, Mais und Soja auf sich. Experten sprechen meist von der ABCD-Gruppe, zu der die Konzerne ADM, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus gehören.

Kritisch sehen die Studienautoren diese Entwicklung, weil die Konzerne ihre Marktmacht ausnutzen können: zum Beispiel in dem sie den Landwirten, denen sie Weizen oder Mais abkaufen, ihre Preise diktieren. Dazu kommt, dass die Konzerne längst nicht nur in der eigenen Branche wachsen: Statt mit den Rohstoffen zu handeln, verarbeiten sie sie verstärkt auch selbst weiter: etwa indem sie Orangensaft oder Schokolade produzieren, statt die Früchte oder Bohnen einfach zu verkaufen.
Noch größer als bei den Rohstoffhändlern ist die Marktmacht bei den Herstellern von Saatgut und Pestiziden. Unter ihnen sind zuletzt besonders große Fusionen und Übernahmen vereinbart worden: So schließen sich die US-Konzerne Dupont und Dow Chemical zusammen, Chem China übernimmt Syngenta und Bayer kauft Monsanto. Die drei neuen Konzerne, die auf diese Weise gerade entstehen, vereinen 60 Prozent des Marktes für Saatgut und Agrarchemikalien auf sich.


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Die Studienautoren halten das für problematisch – auch, weil dadurch ihr Einfluss auf die Politik steigt. „Je größer ein international agierendes Unternehmen, desto weitreichender ist seine Lobbymacht und damit sein Einfluss auf die Gesetzgebung“, heißt es im Konzernatlas. Als Beispiel nennen die Autoren den deutschen Konzern Bayer. Nach der Übernahme von Monsanto werde Bayer „die globale Nummer eins bei Saatgut, Pestiziden und Agrogentechnik“ sein. Die Autoren befürchten, dass Bayer diese Stellung nutzen könnte, um über geschickte Lobbyarbeit Einfluss auf die Gesetzgebung auszuüben. Konkret fürchten sie, dass sich Bayer zum Beispiel eine EU-Vorgabe vorknöpfen könnte, laut der Pestizide erst dann zugelassen werden, wenn ihre Unbedenklichkeit nachgewiesen worden ist. Wenn also bestätigt ist, dass sie nicht krebserregend sind oder die Fortpflanzung beeinträchtigen. Der Konzern weist das zurück. „Es ist nicht das Ziel der geplanten Übernahme von Monsanto, durch Lobbying die Zulassungspraktiken zu verändern“, sagte ein Sprecher.

Die Konzerne können die Marktmacht ausnutzen

Das Problem ist stets dasselbe: je größer die Marktmacht, desto größer die Gefahr, dass die Konzerne sie ausnutzen. Das gilt auch für den Handel. „Die Supermarktketten bestimmen wesentlich, wer wie Lebensmittel produziert und welche Lebensmittel Konsumenten im Regal vorfinden“, sagt Marita Wiggerthale von der Nichtregierungsorganisation Oxfam. „Je höher der Marktanteil der Supermarktkette, desto größer ihre Macht, Lieferanten die Preise und die Konditionen zu diktieren.“ Gerade in Deutschland mit der sehr hohen Marktkonzentration bei den Supermarktketten sei das der Fall.
Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels wehrt sich gegen diese Kritik. „Wer die Marktstellung des Lebensmitteleinzelhandels kritisiert, vernachlässigt die zur Verfügung stehenden Vermarktungsalternativen“, sagte ein Verbandssprecher. Deutlich machte er das an der Milch. Den Supermarktketten wird oft vorgeworfen, den Molkereien die niedrigen Preise aufzudrücken. Dabei würde gerade einmal elf Prozent der in Deutschland produzierten Konsummilch über den Einzelhandel verkauft. Vor allem der Export habe eine „ immer größere Bedeutung“, sagte der Sprecher.

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